Decebal will ein Double!

Zunächst einmal ein herzliches Dankeschön an das Team von „Expeditionen in die Heimat“! Besonders für die Geduld, die Neugier, den Mumm in den Knochen, die Offenheit & den Humor. Es hat, trotz erhöhtem Schwierigkeitsgrad, großen Spaß gemacht. Und das zwar mit Wind, Wildheit und Wasserbüffel – aber ganz ohne Double.

Was für ein Tag! Gestern war wieder einmal der SWR bei uns zu Gast, um für eines seiner Hochglanzformate zu drehen. Kein Problem, denn wir sind ja Profis. Doch da hatte ich die Rechnung ohne den Büffel gemacht:

Decebal hatte keine Lust. Das ist gelogen, denn im Grunde genommen hatte er ziemlich viel Lust. Allerdings auf Florica und nicht auf einen Fernsehdreh. Und so war gestern nicht nur der Wind im Westerwald wild, sondern auch so mancher Bewohner. Wie schon oft erprobt und für gut befunden, versuchte sich das Fernsehteam also so unauffällig wie möglich ranzupirschen. Alles in allem gelang uns das nicht gut – jedenfalls standen wir unter kritischer Beobachtung des Herdenchefs. Florica war nämlich brünstig und damit ein gewaltiger Störfaktor. Welches männliche Wesen kann sich denn bitte noch richtig konzentrieren, wenn direkt vor seinem Gesicht, ein appetitlich aussehender „big booty“ geschwenkt wird. Erschwerend hinzu kam, dass Decebal seine Herzensdame offenbar schon stundenlang umgarnt hatte – um sie dann heute an irgendeinen mageren, windigen Fernsehschnösel zu verlieren? Das konnte er nicht geschehen lassen und dirigierte seine Liebste zügig aus dem Bild.

Die männlichen Teammitglieder des SWR ahnten natürlich nichts von ihrer eigenen, testosterongeschwängerten Ausstrahlung mit Gefahrenpotential für alleinstehende Büffelkühe. Decebal bezog glasklar Stellung: „Du kannst mit denen ja machen was Du willst – aber Finger weg von meiner Kuh!“ Sein Blick traf mich und sprach Bände. Er wollte ein Double. Um vor Kameras, publikumswirksam, Reißverschlüsse zu öffnen hatte er einfach keine Zeit. Und wer hätte sich dann um Floricas Bedürfnisse gekümmert – Barosan? Der erschien wie aufs Stichwort, schlunzte zu einem Weidengebüsch und fing dort an an Ästen herumzukauen, während ihm Faserstückchen aus dem Maul fielen. Absolut ahnungslos, warum alle so einen Wirbel machten. Also keine Option in Sachen Double! Mit einer liebestollen Büffelkuh klarzukommen, steht auch nicht unbedingt auf der Skills-Liste der meisten Stuntmen. Decebal konnte also nur frei nach dem Motto „Muss nur noch kurz die Welt retten…“ handeln. Sechs erwartungsfrohe, menschliche Wesen hingen also etwas in der Luft. Da half es auch kaum, dass zwei, coole Pferdebrüder überhaupt nicht kamerscheu waren. „Vergesst die Hornochsen! Dreht uns.“ schienen sie uns zuzurufen, während sie sich hemmungslos vor Objektive drängten und eine bildtechnische Sonnenfinsternis auslösten. Der menschlichen Leitkuh zerrte der Wind an den Haaren und dieser Individualistenhaufen an den Nerven. Nichts zu machen, keine Lust auf Medienpräsenz. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich nonverbal in den Staub zu werfen. Wahrscheinlich sah ich mitgenommen genug aus, denn das Wunder geschah.

Dochia konnte sich den ganzen Zirkus nicht länger angucken und ließ sich herab, den Job zu erledigen. Wobei der Bestechungsapfel nicht den Ausschlag gegeben hatte – denn käuflich ist sie nicht. Sie kam zügig auf uns zu, checkte die Kameraleute und stufte den Bedrohungsgrad offensichtlich irgendwo zwischen Eichhörnchen und Feldhase ein. Dann gab es noch ein nonverbales, aber ziemlich zickiges „Wortgefecht“ zwischen ihr und Kozak. Ich legte den menschlichen Beteiligten nahe, etwas Raum zu lassen für eventuell, auftretendes „Auf-dicke-Hose-machen“ – aber Kozak zog leicht beleidigt den Kürzeren und von dannen. Die Leitkuh hatte sich durchgesetzt und zog das Ding durch. Klimperte mit ihren langen Wimpern und ließ sich von Moderatorin Anna-Lena und mir eine vierhändige Massage verpassen. Dochia alias „Der Professor“ stand schon immer hoch im Kurs, aber seit gestern ist sie sicherlich zur „Heiligen Kuh“ aufgestiegen. Besser hätte man es nicht machen können und nebenbei entspannte sie die Lage noch mit diplomatischem Feingefühl. Zu diesem Zeitpunkt ließ der wilde, Westerwälder Wind auch nach – nicht ohne Spuren zu hinterlassen. Die sechs tierischen Herdenmitglieder beruhigten sich und frühstückten erstmal. Meine Frisur entsprach ungefähr dem dem Zustand meines Nervenkostüms. Glücklich, aber platt.

Und dann kam die Sonne raus und alles wurde gut. Menschen und Tiere genossen ihre wärmenden Strahlen. Apropos Strahlen – das taten dann noch Einige von uns: Wegen ihrer ersten Büffelbegegnung, eines frühen Feierabends, eines perfekten „Rückenkratzerastes“, der unverhofften Wendung was die Büffelbeteiligung anging oder einfach, weil der „Big Booty“ in einem Weidengebüsch verschwand und man(n) somit mal fünf Minuten wieder klar denken konnte.

Räumkommando!

Auff(r)essen statt plattliegen.

„Die haben ja nichts mehr zu Fressen!“ entfährt es manchem, besorgten Spaziergänger. Und ja, es hat tätsächlich unglaublich geräumt. Aber keine Sorge: Wer täglich auf der Wiese unterwegs ist, kann noch so manchen Leckerbissen entdecken – jedenfalls aus Büffelsicht. Natürlich kommen bei uns Menschen, Köstlichkeiten wie verholzte Rasenschmiele oder ein wehrhaftes Schlehengebüsch nicht auf dem Speiseplan. Unsere tierischen Teammitglieder sehen das ganz anders. Und das ist auch gut so! Schließlich reden wir hier von einem Offenlandbiotop, wie es so schön im Fachjargon heißt. Kurz gesagt, ist das einfach eine Fläche ohne höheren Bewuchs, wie Bäume oder Gehölze. Job erledigt – denkt man auf den ersten Blick. Aber es lohnt sich, mal genauer hinzuschauen, was vier Büffel und zwei Huzulenpferde in den nächsten Wochen noch zu tun haben werden.

Als zunächst vier, behornte Gärtner die neue Fläche eroberten, ging es erstmal um Rodungsarbeiten. Im Video „Da ist was im Busch“ bei Barosan eindrucksvoll zu sehen. Und dabei hat jeder Einzelne seine ganz individuelle Technik, die man aber auch erstmal lernen muss. Bei Barosan sah es am Anfang nun wahrlich nicht so professionell wie heute aus. Im Gegenteil – dicke Augen inklusive. Ja, so ein Ast kann ganz schön garstig sein, ein Eigenleben entwickeln und urplötzlich zurück ins eigene Gesicht flitschen. Aua. Wie oft kam ich morgens auf die Weide und fand Barosan vor, der aussah als hätte er Rocky Balboa getroffen. Dabei versuchte er nur ein guter Landschaftspfleger zu werden. Manches Mal war ich sogar live dabei: Bei einem Mal standen Dochia und ich fassungslos da, während Mister B sich einen Ast zu angeln versuchte. Da er viel zu knapp angesetzt hatte und trotzdem immer weiter zog, war klar was jetzt gleich passieren würde. Aua. Dochia und ich rissen die Köpfe hoch und mir entfuhr ein lautes „Neeeiiin!“. Barosan bog den Ast, siegessicher, immer weiter nach hinten – und rutsche ab. Flitsch! Das biegsame Weidengeäst traf mit voller Wucht sein linkes Auge. Dochia drehte sich um und ging davon. Höchstwahrscheinlich hatte sogar sie keine Hoffnung mehr, dass die Gärtner-Karriere Barosans doch noch in Gang kommen würde. Er sah ziemlich verdutzt aus und kniff das Auge zu, das heftig zu tränen begonnen hatte. „Was machst du denn?!“ Mir tat es furchtbar leid, aber anders trat wohl einfach kein Lerneffekt ein. Heute, etliche, dicke Augen und Jahre später, ist er ein waschechter Profi. Ein Bio-Bagger im XXXXL-Format.

Und auf der Fläche gibt es noch Einiges zu tun. Seggenbestände, die noch gekürzt werden müssen. Ecken mit Mädesüß-Hochstauden und verholzte Rohrkolbenbestände. All das muss noch aufgeräumt werden, damit im nächsten Frühjahr neues Leben entstehen kann. Ist der Boden nämlich bedeckt, von einer dicken Schicht aus altem Material, dann haben es die sogenannten Lichtkeimer sehr schwer. Zu undurchdringlich ist die pflanzliche Decke. Zum Glück gibt es jedoch sechs wackere Helden, die das nicht zulassen werden. So wird die Fläche im nächsten Frühjahr bestimmt wieder einige gold-gelbe Blüten der Sumpfdotterblume aufweisen. Dafür sollte das Motto in diesem Herbst jedoch lauten: „Alles muss raus!“. Altbestände sind quasi „Heu auf dem Halm“. Man muss sich die Ration selbst zusammenstellen und sich Gedanken über gesunde Ernährung machen! Aber die Platte wird geputzt und an glänzendem Fell und glänzenden Augen sieht man, dass alles im grünen Bereich ist. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Hungergrube ist eine Einsenkung der Bauchwand, und wie der Name schon sagt, eine Indiz für – genau Hunger. Sie muss nicht 24/7 gut gefüllt sein, aber selbstverständlich auch nicht ständig sichtbar. Ich habe verzweifelt versucht ein Foto meiner Mannschaft zu finden, auf dem eine Hungergrube mal vernünftig sichtbar ist – was soll ich sagen: es ist mir nicht gelungen.

Das Räumkommando hat also offensichtlich eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Das stimmt mich, die menschliche Leitkuh froh – denn wiederkäuende Büffel (siehe Beitragsbild) sind glückliche Büffel. Aufessen statt Plattliegen als Lebensphilosophie – na dann guten Appetit!